Unser Freund Günther berichtet aus Lesbos
Lesbos Unser Freund Günther Jäger war wieder, wie er es regelmäßig tut, von Anfang Februar bis Mitte März auf der Insel Lesbos. Diesmal hat er uns einen bewegenden Bericht über seine Zeit dort geschickt, den wir gerne mit Ihnen teilen möchten. So erfahren Sie, wie Ihre Spende für viele Menschen einen konkreten und spürbaren Unterschied machen kann. Wir sind Günther einfach sehr dankbar, dass er durch sein aufmerksames Herz und manchmal auch "nur" durch seine Anwesenheit einigen Menschen ein Stück Würde zurückgibt.
Die Zunahme der Flüchtenden nach Europa spiegelt sich auch in der Zahl der Menschen im Lager Kara Tepe wieder. Bei meiner Heimreise Ende Oktober 2024 waren etwa 1.300 Flüchtlinge im Lager. Als ich am 3. Februar 2025 Februar wieder gekommen bin, waren ca. 4.000 Geflüchtete im Lager, das ich während meines erneuten Aufenthalts täglich besuchte. Sieben Wochen war ich dort bei den Menschen in Not und bei unseren Projekten „Home Village“ und „NIKA Bio-Olivenöl“.
Mit Zunahme der Flüchtlinge im Lager nehmen aber auch die Probleme zu. Es gibt immer wieder Menschen mit gesundheitlichen Problemen, die im Lager nicht behandelt werden können. Die meisten Flüchtlinge haben kein Geld, um sich einen Arzt außerhalb leisten zu können. Hier helfen wir – soweit möglich: der Mutter mit dem Kind, das nichts essen kann, der Frau, die so große Angst hat vor dem Kaiserschnitt, dem Jugendlichen, der Probleme mit einem eingewachsenen Zahn hat, der Frau mit schmerhaften Hüftproblemen, usw. Auch für sie sind wir da, bringen sie zu entsprechenden Ärzten, und übernehmen die Behandlungskosten.
Bei meiner täglichen Runde kam ein Mann auf mich zu und bat um Hilfe für seinen Mitbewohner. Der hatte tagelang nichts gegessen und getrunken, keinen Arzt gesehen und konnte so wohl nicht überleben. Wir haben dann einen Polizisten angesprochen und innerhalb von zwei Stunden war ein Arzt da, der den Mann mit Medikamenten versorgt hat.
Als ich ihn einige Tage später besuchte, war er wieder auf den Beinen. Er war voller Freude, umarmte mich und lud mich in die Unterkunft ein. Wir haben zusammen gefeiert und gegessen. Der Mann ist aus Gaza. Alles, was er hatte, ist zerstört. Sein Sohn wurde getötet und er wusste nicht mehr weiter. Er ist dann einfach mit anderen über Ägypten und dann über die Türkei nach Lesbos geflohen und versucht jetzt, sich irgendwie durchzuschlagen.
Einen anderen Familienvater aus Gaza, der durch den Krieg dort ebenfalls alles verloren hat, haben in unserer Bio-Farm, Home Village, eingestellt. Er ist der achte Mitarbeiter, dem wir ermöglicht haben, bei uns zu arbeiten und sein Leben wieder aufzubauen. Auch er will auf Lesbos bleiben und bei uns arbeiten. Jetzt versuchen wir seine Familie, die noch in Ägypten ist, nach Lesbos zu holen.
Im Moment ist die Situation schlimm, weil so viele Menschen da sind, sehr viele Kinder und auch einige Behinderte, um die ich mich gerade besonders kümmere. Ich habe täglich viele Begegnungen im Flüchtlingslager gehabt. Begegnungen, die mich oft sehr nachdenklich machen – wie die mit der kleinen Beheshta:
Ich bin mit unserem Versorgungsfahrzeug im Camp unterwegs. Ich muss halten, weil ein Mann mit einem kleinen Mädchen die Straße überquert. Mit beiden Händen führt er die Kleine. Langsam gehen sie, die Kleine kann offensichtlich gar nicht gehen. Der Vater hält sie mit beiden Händen und versucht sie auf den Beinen zu halten.
Er schaut zu mir hoch, ein Blick, ein versuchtes Lächeln – aber mehr ein verzweifeltes Lächeln.
Ich parke den Wagen und geh zu ihm. Er erzählt mir von seiner Familie. Sie mussten Afghanistan verlassen, weil sie die damals 12-jährige Tochter einem Taliban-Krieger nicht zur Frau geben wollten. Sie wurden daraufhin mit dem Tode bedroht. Mit den beiden Kindern und deren Großmutter sind sie geflohen – 12 Monate auf der Flucht.
Er erzählt mir, dass seine jüngere Tochter von Geburt an nicht laufen kann. Keine Muskeln an Beinen und Armen. Sie ist schwer behindert und unterwüchsig. Beheshta muss täglich mehrmals von der Mutter zur Toilette getragen werden --- 150 m entfernt. Die Mutter kann das nicht mehr, weil sie zu schwach ist. Die Familie ist verzweifelt, weil ihnen niemand hilft.
Ich habe am nächsten Tag von Spendengeldern einen geeigneten Buggy gekauft. Nun kann die Mutter ihr Kind ohne Mühe auch über die steinigen Wege im Lager schieben. 180 € hat er gekostet – für die Familie wäre das unerschwinglich.
Behesta ist auch unterernährt. Jetzt bekommt sie von uns täglich gesundes und frisches Essen. Alle sind so dankbar und froh, dass sie nicht allein gelassen werden.
Vielleicht finde ich auch noch medizinisch/orthopädische Hilfe für Beheshta. Jeden 2. Tag besuchte ich die Familie, sie sind jetzt irgendwie auch meine Familie, wie so viele im Lager Kara Tepe.
Die sind nur einige Beispiele wie wir durch die uns anvertrauten Spendengelder konkret helfen können, persönlich, vor Ort.
Die sind nur einige Beispiele wie wir durch die uns anvertrauten Spendengelder konkret helfen können, persönlich, vor Ort.